Monday 11 December 2006

Schlaflos in Luxemburg


Halb eins nachts. Eine dieser Nächte, in denen Gedanken so diffus sind, wie ein Schwarm von Motten, die um eine flackernde Straßenlaterne herumfliegen. Geisterstunde.

Die Bettdecke wärmt nicht, kühlt nicht, umhüllt nicht: Schützt weder, noch vermittelt sie auf irgendeine andere Weise Behaglichkeit. Stört eigentlich nur. Gefällt mir nicht. Ich habe Gedanken, die ruhig sind und unruhig zugleich. Beschleunigte Langsamkeit.

2raumwohnung im Ohr:
"wir sind die anderen"
Sind wir das wirklich? Ich bin ich, die anderen: die anderen.

"jemand fährt, nicht du. du denkst du fährst, doch du schaust zu"

Ja. Genauso fühlt sich das auch an. Ich fahre nicht mehr selbst, oder?

Ich trete zurück von meiner "Fahrt": Ich reisse das Fenster auf und schaue hinaus und Kälte ohrfeigt mich. Frost ernüchtert mich, denn nur diese Kälte ist jetzt reell.
Gerade jetzt ist sie reell. Jetzt, wenn Träume nicht kommen wollen, aber sich die Wirklichkeit - schon alleine wegen meines erhöhten Serotoninspiegels - nicht mehr als solche erfassen läßt.

"du denkst du überholst, doch du bleibst hier"
Ich bin schon viel zu lange hier geblieben. (Oh: der letzte, verspätete Transportflieger fliegt über's Haus hinweg. Er überholt. Ich bleibe hier.) Weshalb fühlt sich Leben nachts anders an, als am hellichten Tage? Weshalb ist heute Nacht die Ruhe ungreifbar, wenn meine Gedanken doch so schläfrig sind? Weshalb, weshalb, weshalb?

Ich schließe das Fenster wieder. Aber nicht ganz. Einen Spalt breit lasse ich es offen. Nachtluft. Klarheit. Meine Stirn wirft Gänsehaut. Meine Seele auch.

Seele. Pah! Wozu brauche ich die überhaupt noch? Vielleicht verkaufe ich sie auf eBay. Sie stört, fast mehr als die Bettdecke. Beide - Bettdecke und Seele - bringen's heute nacht nicht fertig, mir die Wärme zu geben, die ich heute nacht suche.

Heute gab's Neuigkeiten. Ein guter Freund könnte 23-jährig jung sterben. Sauerei. Ich fühle nichts mehr. Ich will, aber irgendwie ist das jetzt zuviel. 23... Ich logge mich in eBay ein, und beginne zu schreiben: "Verkaufe meine Seele an Meistbietenden. Gebraucht abzugeben. Leichte Gebrauchsspuren, aber sonst normalerweise ziemlich robust. Brauche se nicht mehr, wegen Geschäftsaufgabe."

Draußen fährt ein Auto mit kaputtem Keilriemen vorbei und ich erinnere mich daran, wie ich damals von irgendeinem Mädchen nach Hause fuhr. Mit Grinsebacken.
"ich denk' an dich. ich kann nicht anders. an jeder Straßenecke bleib' ich stehn."

Damals, im Auto. Und was ist heute? Ich denke ich fahre, aber ich schau zu. Und setze ein Mindestgebot für meine Seele auf Ebay fest. Ich drücke den Confirm-Button. Als ich aus dem Fenster schaue, fällt mir die Straßenlaterne auf. Aber keine Motte kreist um das gelblich grelle Licht.
Moment.
Doch.
Eine.

Ich denke an das irgendeine Mädchen von damals. Ich denke an Heute und an die Motte, die bei diesem verfluchten Frost, ehrlich gesagt, kaum eine Chance haben wird, so schön das Licht auch sein mag.

Ich entscheide mich, seelenbefreit, meine Gedanken zu Bett bringen.

"und wieder geht die Sonne auf. und woanders wird es nacht. und wieder steht sie am fenster. und fragt sich, was sie mit dem Tag heut' macht."


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